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Das kulturelle Schaffen von Künstlern unterliegt in der Gegenwart Bedrohungen, die aus Fehlvorstellungen resultieren oder neben dem Eigennutz die notwendigen Bedingungen von künstlerischem Schaffen außer acht lassen. Z.B. werden Kunstwerke hinsichtlich ihrer Entstehung nicht von anderen Artefakten unterschieden oder sie werden in das Gebiet der bloßen Freizeitgestaltung eingeordnet, dem sich ein Künstler im Gegensatz zur sog. arbeitenden Bevölkerung widmen kann. Im Fall der Gleichsetzung mit jedem anderen Artefakt, z.B. mit einem Werkstück eines Handwerkers, einem nach allgemein verbindlichen Regeln zusammengestellten Schriftstück des Lebensalltags wie einem Vertrag, einer behördlichen Anordnung oder auch einer Arbeitsbeschreibung, wird in der modernen Erwerbsgesellschaft der Anspruch erhoben, auch ein Kunstwerk sei jederzeit und beliebig abrufbar. Im Fall der Einordnung als alltägliche Freizeitgestaltung werden im modernen demokratischen Staat in der Person des/r individiduellen Künstlers/in Kairos, Erkenntnisarbeit und handwerkliche Arbeit auf höchstem Niveau geleugnet noch bevor das hervorgebrachte Werk im einzelnen wahrgenommen wird. Der leichtfertig hingeworfene Satz: "Das kann ich auch" wird zum Anlass der Gleichsetzung und zur Rechtfertigung jedweder eigennützigen Ausbeutung des/r Künstlers/in und/oder seines Werks durch Diebstahl des geistigen Eigentums. Die Bedeutung des Kunstwerks als Meinungsäußerung und damit als Ausübung eines Kommunikationsgrundrechtes, konkret der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) wird nicht zur Kenntnis genommen. Mit der Folge, dass dem/r Künstlers/in die Möglichkeiten jeder Selbsterläuterung entsprechend dem Selbstdarstellungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und die Sicherung seiner/ihrer wirtschaftlichen Existenz streitig gemacht werden. Die damit einhergehende Entwürdigung des/r Künstlers/in gibt es schon lange. Dichter, Schriftsteller, Künstler, Kunstwissenschaftler und Kunstkritiker haben darauf mit Worten reagiert, deren Rezeption zu einer Korrektur von Fehlvorstellungen führen kann. Auf dieser Seite sollen Zitate von Dichtern, Schriftsteller, Künstlern, Kunstwissenschaftlern und Kunstkritikern in Erinnerung gerufen werden, die die besondere Verbindung von dichterischem und künstlerischem Schaffen und individuellem Personsein einerseits und verschiedenen Aspekten der notwendigen Achtung vor dem Personsein einzelner andererseits zum Inhalt haben und dadurch wesentliche Argumente aus eigener Erfahrung für heute bereits bestehende und noch zu entwickelnde Urheberrechte sichtbar machen. Es finden sich bisher Äußerungen von Cellini, Goethe, Gogol, Strindberg, Obrist, Meier-Graefe, Preetorius, Valentin, Arnheim, Frisch, Lenz, Bernhard, Uecker, Zafón und Maffey.
Benvenuto Cellini, Mein Leben (1558-1566), Übersetzung von Jacques Laager, Zürich 2000, Erstes Buch, Kap. 60/61, S. 184-192:
"Acht Tage später ließ mir der Papst durch denselben Mann mitteilen, er wolle nicht mehr, daß ich den Kelch vollende, er verlange ihn in dem Zustand zurück, indem er sich zur Zeit befinde. Diesem Pompeo gab ich folgendes zur Antwort: .. < .. so sicher, wie die fünfhundert Scudi, die ich erhalten habe, Seiner Heiligkeit gehören und von mir sogleich zurückerstattet werden, so sicher gehört das Werk mir - und ich werde damit machen, was mir gefällt!> ... Drei Tage später - es war an einem Donnerstag - kamen zwei bevorzugte Kämmerer seiner Heiligkeit zu mir. ... Als sie bei mir eintraten, sagten sie: <Benvenuto, der Papst schickt uns zu dir. Weil du nicht auf ihn hören wolltest und ihm nicht entgegengekommen bist, läßt er dir folgendes ausrichten: Entweder übergibst du uns sein Werk, oder wir bringen dich ins Gefängnis!> Da blickte ich ihnen frohgemut in die Augen und erwiderte: <Gäbe ich das Werk seiner Heiligkeit, so gäbe ich ihr mein Werk und nicht ihr Werk, und gerade deswegen will ich ihr mein Werk nicht geben! Ich habe es nämlich mit so viel Aufwand vorangetrieben, daß ich es nicht in den Händen einer unkundigen Bestie sehen will, die es mir mühelos verdirbt!> Während ich dies erwiderte, war auch besagter Tobia zugegen, der in seiner Unverschämtheit sogar die Modelle von mir forderte. ..... drohten mir der Gouverneur und der Fiskal .. <Laß sofort dein Werk herbringen ...> Ich entgegnete: <Signori, erweist mir die Gnade, noch vier Worte zu meinen Gründen zu äußern.> ... Und so begann ich: <Falls sich irgendein Mann einen Palast oder ein Haus bauen ließe, könnte er wohl mit vollem Recht zu dem Meister, der es baut, sagen: <Ich will nicht, daß du an meinem Haus oder Palast weiter baust!> Er könnte ihn, nachdem er ihm für seine Arbeit in gebührender Weise bezahlt hätte, wieder wegschicken. ... Aber in meiner Angelegenheit liegt der Fall ganz anders, denn hier handelt es sich weder um ein Haus noch um einen Edelstein. Mann kann nichts anderes von mir verlangen, als daß ich die fünfhundert Scudi, die ich erhalten habe, zurückerstatte> ... der Gouverneur .... sagte: <Es ist mir sehr unangenehm, daß du nicht begreifen willst, was zu deinem Besten ist. So geh denn hin, und bringe, wann es dir beliebt, die fünfhundert Scudi dem Pompeo!> Ich nahm meine Arbeit, entfernte mich und brachte die fünfhundert Scudi sofort zu Pompeo. Der Papst hatte wohl geglaubt, ich könne das Geld wegen einer Verlegenheit oder aus anderen Gründen nicht so bald aufbringen, da er sich eine Gelegenheit wünschte, mich wieder zu seinem Dienst zu verpflichten. Als er aber sah, daß Pompeo lachend und mit dem Geld vor ihm erschien, beschimpfte er ihn, denn es schmerzte ihn sehr, daß die Angelegenheit diese Wendung genommen hatte, und er sagte zu ihm: <Geh und suche Benvenuto in seiner Werkstatt auf, erweise ihm so viele Freundlichkeiten, wie deine tierische Dummheit es vermag! Sage ihm: Wenn er diese Arbeit beenden .. will, .. will ich ihm jegliche Bequemlichkeit verschaffen, damit er das Werk zu Ende führen kann - wenn er nur arbeite!> ... Ich gab ihm sogleich zur Antwort, daß der größte Schatz auf Erden, den ich mir wünschte, sei, die Gunst eines so bedeutenden Papstes zurückzugewinnen: diese hätte ich zwar verloren, aber nicht aus eigenem Versagen, doch wohl ... wegen ... der Bosheit neidischer Menschen, denen es Freude bereite, Böses zu tun."
Johann Wolfgang v. Goethe, Torquato Tasso (1790):
„Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur das Leben lehret jedem, was er sei.“ (Antonio)
„Er soll willkommen sein, wenn er es bringt, so sehr in manchem Sinn das große Werk mich freu und freuen muss, so sehr vermehrt sich auch zuletzt die Ungeduld in mir. Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden.“ (Alfons)
„Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge, womit er Schritt für Schritt zum Ziele geht. Er will nicht Märchen über Märchen häufen, die reizend unterhalten und zuletzt wie lose Worte nur verklingend täuschen.“ (Prinzessin)
“Ich komme langsam, es dir zu überreichen. Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet. Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte. Allein war ich besorgt, es unvollkommen Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun die neue Sorge: Möchte ich doch nicht gern zu ängstlich, möchte ich nicht undankbar scheinen.“ (Tasso)
„Hier ist die Frage nicht von einer Liebe, die sich des Gegenstands bemeistern will, uns liebt er nicht, – verzeih, dass ich es sage! – aus allen Sphären trägt er, was er liebt, auf einen Namen nieder, den wir führen, und sein Gefühl teilt er uns mit;“ (Leonore)
"Freigiebig bietest Du mir schöne Gaben, und ihren Wert erkenn ich, wie ich soll, drum lass mich zögern, eh ich sie ergreife, weiß ich doch nicht, ob ich dir auch dagegen ein Gleiches geben kann.“ (Antonio)
„Er schadet andern nicht, er schadet sich.“ (Leonore).
„Und doch verletzt er andre nur zu sehr. Kannst du es leugnen, dass im Augenblick der Leidenschaft, die ihn behend ergreift, er auf den Fürsten, auf die Fürstin selbst, auf es sei, zu schmähn, zu lästern wagt?“ (Antonio)
"Ich wiederhole nur beschämt die Bitte: O gib die Blätter mir zurück!“ (Tasso)
Johann Wolfgang v. Goethe, Dichtung und Wahrheit
Zweiter Teil, Zehntes Buch: .."Die Würde des Gegenstandes erhöhte dem Dichter das Gefühl eigener Persönlichkeit." ...
Vierter Teil, Neunzehntes Buch: ...."Die Gewohnheit von Jugend auf die Landschaft als Bild zu sehen, vwerführte mich zu dem Unternehmen, wenn ich in der Natur die Gegend als Bild erblickte, sie fixieren, mir ein sichres Andenken von solchen Augenblicken festhalten zu wollen. Sonst nur an beschränkten Gegenständen mich einigermaßen übend, fühlt ich in einer solchen Welt gar bald meine Unzulänglichkeit. Drank und Eile zugleich nötigten mich zu einem wunderbaren Hülfsmittel: kaum hatte ich einen interessanten Gegenstand gefaßt und ihn mit wenigen Strichen im allgemeinen auf dem Papier angedeutet, so führte ich das Detail , das ich mit dem Bleistift nicht erreichen konnte, in Worten gleich daneben aus und gewann mir auf diese Weise eine solche innere Gegenwart von dergleichen Ansichten, daß eine jede Lokalität wie ich sie nachher in Gedicht und Erzählung nur etwa brauchen mochte, mir also bald vorschwebte und zu Gebote stand." .....
... "Wie Lavater sich benommen, sei nur ein Beispiel gegeben. Sonntags nach der Predigt hatte er als Geistlicher die Verpflichtung den kurzgestielten Sammetbeutel jedem Heraustretenden entgegen zu halten und die milde Gabe segnend zu empfangen. Nun setzte er sich zum Beispiel diesen Sonntag die Aufgabe, keine Person anzusehen, sondern auf die Hände zu achten und ihre Gestalt sich auszulegen. Aber nicht allein die Form der Finger, sondern auch die Miene derselben beim Niederlassen der Gabe, entging nicht seiner Aufmerksamkeit, und er hatte mir viel davon zu eröffnen. Wie belehrend und aufregend mußten mir solche Unterhaltungen werden, mir, der ich doch auch auf dem Wege war mich zum Menschenmaler zu qualifizieren?"...
Nicolai Gogol, Die toten Seelen, Roman, Deutsch von Philipp Löbenstein, 1846, 9. Kapitel (S. 254):
"Der Verfasser ist in der schrecklichsten Verlegenheit, welchen Namen er wol diesen Damen geben könnte, ohne daß man ihm, wie es sonst zu geschehen pflegte, darüber Groll nachtrage. Einen Familiennamen ersinnen, ist sogar gefährlich. Welchen Namen du auch erdenkest, gewiß befindet sich in irgend einem Winkel des Reiches - der Segen ist groß - Jemand, der einen solchen Namen trägt, und dieser Namenträger geräth in fürchterlichen Zorn, und versichert, daß der Verfasser eigens deßwegen im Geheim zu ihm gereist sei, um alles zu erforschen, wer und was er sei, welchen Pelz er anhat, welche Agrafena Iwanowna er besucht, und welche seine Lieblingsspeisen. Gibt man seinen Helden nur ihre Titel, so ist's noch schlimmer. Jetzt sind alle Klassen und Stände so erbittert, daß sie alles Gedruckte für Persönlichkeiten nehmen: es liegt schon, wie es scheint, in der Luft. Es ist hinreichend zu sagen, daß in einer Stadt ein dummer Mensch lebe, und es wird gleich als Persönlichkeit betrachtet: mit einem Male springt dir ein Herr von stattlichem Aeußern entgegen und schreit: "Ich bin ja auch ein Mensch, also bin ich auch dumm," mit einem Worte, er merkt gleich, wovon die Rede ist. - Um also all dieses zu vermeiden, nennen wir die Dame, die so eben den Besuch empfangen, wie man sie fast einstimmig in der ganzen Stadt nannte, nämlich die in jeder Beziehung angenehme Dame. Diese Benennung hatte sie rechtmäßig erworben, denn sie sparte wirklich nichts, um sich Allen und Jedem angenehm zu machen."
August Strindberg, Ein Lesebuch für die niederen Stände, hrsgg. von Jan Myrdal, Frankfurt 1977:
"Ich sehe, dass dein Bleistift in den Korrekturen weitere Konzessionen fordert, aber ich kann sie nicht bewilligen. Das rechte Wort im rechten Augenblick ist die Kugel in der Patrone, die Kugel, die du herauspulen willst, just da ich schießen soll. Ich allein trage die Verantwortung, und du weißt, dass ich sie auf mich nehme".
August Strindberg, Die Insel der Glückseligen (1884), 10. Kapitel:
"... Mit der Erfindung der Malerei verhielt es sich anders. In einer gewissen abgelegenen Gegend der Insel hatte man schon seit langem beobachtet, wie eine Menge beschäftigungsloser Köhlerknaben Holzkohle nahm und etwas auf die Baumklötze zeichnete. Zuerst zeichneten sie unanständige Sachen, dann aber gaben sie alles wieder, was ihre Augen sahen. Man hielt es zuerst für eine Art Manie oder Idiotie, die bei ihnen ausgebrochen war; es war ja wirklich kurios, einen Haufen junger Leute wie die Elstern herumhüpfen und Gegenstände nach der Natur zeichnen zu sehen. Sie zeichneten Tische, Stuhlbeine, Bäume, Steine, Mohrrüben, Schubkarren, Hunde, Katzen, alles mögliche, dessen sie habhaft werden konnten. Vergebens versuchten ihre Eltern sie zu bewegen, diese Grillen aufzugeben und sich nützlich zu machen. Weinend sagten sie, sie wollten lieber verhungern, als das Zeichnen sein zu lassen. Es war wirklich eine Manie.
Als die Sache dem König vorgetragen wurde, war (dieser) anfangs sehr bekümmert, denn er liebte sein Volk, wie nur ein Fürst zu lieben vermag. nachher ließ er sie in ein Haus einsperren, wo sie sich ungehindert und unter königlichem Schutz ihrer Manie widmen durften. Er führte mit ihnen gewisse Experimente durch. Eines Tages ließ er fünfzig Maniaci ein und dasselbe Stuhlbein zeichnen. Aber siehe da, es fanden sich keine zwei Zeichnungen, die gleich gewesen wären. Philosophen, die man zurate zog, erklärten, dies beruhe auf der persönlichen Auffassung. (Der König), der nicht geglaubt hatte, dass die persönliche Auffassung eines Stuhlbeins eine philosophische Angelegenheit sei, sah seinen Irrtum ein und war fortan von der tiefen Bedeutung des Zeichnens als eines Moments im Geistesleben überzeugt. Den tüchtigsten Zeichner ernannte er zum Professor. Dieser Mann schrieb bald darauf eine Abhandlung über Inhalt und Form des Zeichnens. Aus dem gutgewählten Beispiel eines Stuhlbeins, das Gegenstand des Preisausschreibens gewesen war, forderte er: Inhalt des Stuhlbeins sei die persönliche Auffassung - Form des Stuhlbeins die Zeichnung. Wenn Inhalt und Form einander deckten oder restlos ineinander aufgingen, sei die Zeichnung eine vollendete oder schöne Zeichnung. Alles Abgebildete sei schön. Eine ihren Kot entleerende Kuh sei an und für sich unschön, da die Natur an und für sich unschön sei; eine abgebildete Kuh, die ihren Kot entleert, sei schön, weil sie durchtränkt sei mit der persönlichen Auffassung von einer den Kot entleerenden Kuh.
Eines Tages war auf der Fassade des Zeichenhauses eine häßliche Abbildung (des Königs) zu sehen. Leute, die vorbeigingen, lachten. Der Zeichner wurde vorgeladen und beauftragt, den König zu zeichnen, aber auf eine schöne Art. Der Zeichner behauptete, seine Zeichnung sei schön, weil sie mit seiner persönlichen Auffassung (des Königs) durchtränkt und durch sie bedingt sei. Dem Zeichner wurde bei Todesstrafe befohlen, seine persönliche Auffassung (des Königs) sofort zu ändern. Da man dem Zeichner den Titel und das Gehalt eines Professors versprach, änderte er sofort seine persönliche Auffassung (des Königs)".
Hermann Obrist, Wozu über Kunst schreiben und was ist Kunst?, in: Neue Möglichkeiten in der bildenden Kunst, Leipzig 1903, 21-24
"Kunst gibt gesteigerte, intensive Empfindungen, Kunst ist kondensiert empfundes, kondensiert gegebenes und intensiv nachgefühltes Leben... für den konsumierenden Laien ist Kunst das Erhalten, das Nehmen, das Mitempfinden, das Nacherleben des so gegebenen gesteigerten Lebens des Künstlers. Und nur dann ist ein Werk wirklich künstlerisch, wenn derartige Wirkungen ausgelöst werden .... Die Wertigkeit eines Kunstwerkes hängt von der Wertigkeit der Empfindungen ab, die es auslöst".
Julius Meier-Graefe, Spanische Reise, 1919, S. 167:
"Ich meine oft, es müßte besser mit uns werden, nicht nur in der Kunst, sondern überall, wenn jeder verstünde, was in solchen Menschen steckt."
Emil Preetorius, Vom Künstler und der Kunst, in: Kunst und Künstler, Heft VI, S.223, Berlin 1930:
"Und wenn der Künstler gebildet ist .., wird er .. betonen, daß .. die Kunst eine in sich beschlossene, also autonome geistige Sphäre, und zwar eine der Ursphären sei: biologisch bedingter, geistgewordener Ausdrucksdrang, der sich verwirkliche in der Welt der Erscheinungen, also eine Grundtendenz des Menschen schlechthin, die an sich unabhängig sei von Zeit, Volk und Geschichte, unabhängiger von diesen Mächten als irgendeine der sonstigen großen menschlichen Lebensäußerungen."
Karl Valentin
"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit".
Rudolf Arnheim, Art and Visual Perception, A Psychology of the Creative Eye, The New Version in the 1974 expanded and revised edition of the original publication of 1954, Berkeley, L.A., London 1997, p. 5:
"All perception is also thinking, all reasoning is also intuition, all observation is also invention."
Siegfried Lenz (1926- ), Deutschstunde, München 1973:
"2 Das Malverbot ..... Sie glauben es ja nicht, sie glauben es selbst nicht, diese Narren: Malverbot, Berufsverbot, vielleicht noch Eß- und Trinkverbot: so etwas kann einer doch nicht mit leserlichem Namen unterschreiben. ... Das Verbot hat mit Kenntnisnahme in Kraft gesetzt zu werden .... ab sofort. Da packte der Maler sein Arbeitszeug zusammen, allein, ohne Hilfe des Polizeipostens Rugbüll, er erwartete wohl auch keine Hilfe (S. 31). .. . Sie gingen zum Atelier, ..... Der Maler zeigte stumm auf das Glas, sie tranken und danach stand mein Vater auf, durchflutet von der Wärme des Genevers, ging hin und her, ... hob dort den Blick und ließ ihn auf dem Bild 'Pierrot prüft eine Maske' ruhen, streifte auch den 'Abend der Fohlen' und die 'Zitronenfrau' und drehte wieder um und kam zum Tisch zurück - bis er endlich wußte, was er sagen wollte. Mit einer unbestimmten, aber doch umfassenden Bewegungen gegen die Bilder sagte er: Und Berlin will das verbieten. Der Maler zuckte die Achseln. Es gibt andere Städte ... - Berlin bleibt Berlin, sagte mein Vater, und dann: Warum glaubst du, Max? Warum verlangen sie es von dir? Warum sollst du aufhören zu malen? Der Maler zögerte. Vielleicht rede ich zu viel, sagte er. Reden? fragte mein Vater. Die Farbe, sagte der Maler, sie hat immer was zu erzählen: mitunter stellt sie sogar Behauptungen auf. Wenn kennt schon die Farbe... (S. 33). ...dann: Diese Wahnsinnigen, als ob sie nicht wüßten, dass das unkmöglich ist: Malverbot. Sie können vielleicht viel tun mit ihren Mitteln, sie können allerhand verhindern, mag sein, aber nicht dies: daß einer aufhört zu malen. Das haben schon andere versucht, lange vor ihnen. Sie brauchen doch nur nachzulesen: gegen unerwünschte Bilder hat es noch nie einen Schutz gegeben, nicht durch Verbannen, auch nicht durch Blendung, und wenn sie die Hände abhacken ließen, hat man eben mit dem Mund gemalt. Diese Narren, als ob sie nicht wüßten, daß es auch unsichtbare Bilder gibt... .. er ließ ihn nicht mehr mit seinen Blicken los, als wollte er ihn zu sagen zwingen, was er, der Maler, längst wußte, und ihm nwird nicht entgangen sein, daß es meinem Vater schließlich nicht leichtfiel, zu erklären: Mich, Max - sie haben mich beauftragt, das Malverbot zu überwachen: daß du auch das nur weißt .... ... Und wie, Jens? Wie wirst du das Verbot überwachen?" (S. 34 f.).
"4 Der Geburtstag .... einen rot durchkreuzten Eilbrief, den er offensichtlich bereits gelesen hatte und den er nun meinem Vater zurückreichte, herrisch und außer sich, mit einer kurzen heftigen Bewegung, und da wußte ich schon, daß mein Vater, vor der Wahl - entweder den Inhalt des Briefes mündlich zu wiederholen oder den Brief selbst sprechen zu lassen - sich wie immer für das entschieden hatte, was ihn am wenigsten beanspruchte. Er ahtte den Maler einfach lesen lassen und nahm den Brief nun ruhig an sich mit seinen rötlich behaarten Händen und faltete ihn sorgsam, während der Maler sagte: Ihr seid verrückt, Jens, ihr könnt euch das nicht anmaßen ... Ihr habt kein Recht dazu, sagte der Maler, und mein Vater darauf: Ich hab das nicht geschrieben, Maß, ich maß mir auch nix an, und er konnte seine Hände nicht daran hindern, eine Bewegung unbestimmter Hilflosigkeit zu machen. Nein, sagte der Maler, du maßt dir das nicht an, du sorgst nur dafür, daß sie sich ihre Anmaßung leisten können. Was soll ich denn machen? fragte mein Vater kühl, und der Maler: Die Bilder von zwei Jahren - weißt du, was das heißt? Ihr habt mir Berufsverbot gegeben. Genügt euch das nicht? Was werdet ihr euch noch ausdenken? Ihr könnt doch nicht Bilder beschlagnahmen, die niemand zu Gesichts bekommen hat. Die nur Ditte kennt und allenfalls Teo. - Du hast den Brief gelesen, sagte mein Vater. Ja, sagte der Maler, daß verfügt worden ist, alle Bilder aus den letzten beiden Jahren einzuziehen: ich hab sie morgen verpackt auf der Dienststelle abzuliefern" (S. 70 f.). .... nn nach einer Weile hört ich meinen Vater sagen: Vielleicht, Max, werden die Bilder zurückgeschickt eines Tages? Die Kammer prüft sie nur und schickt sie dir zurück? Es klang sogar glaubwürdig, wenn mein Vater, der Polizeiposten von Rugbüll, so etwa fragte oder als Möglichkeit erwähnte, und niemand mochte ihm ein anderes Wissen zutrauen neben dem, das er mit seinen Worten bekanntgab. Der Maler schien so verblüfft, daß er Zeit brauchte zu einer Antwort. Jens, sagte er dann in einem Ton von Bitterkeit und Nachsicht, mein Gott, Jens, wann wirst du merken, daß sie Angst haben und daß es die Angst ist, die ihnen rät, sowas zu tun: Berufsverbote auszusprechen, Bilder zu beschlafnahmen. Zurückschicken? Vielleicht in einer Urne .." (S. 72) ... " Ich muß dich auffordern, zugegen zu sein bei der Sichtung der Bilder - Willst du die Bilder verhaften? fragte der Maler, und mein Vater darauf trocken und unnachsichtig: Wir werden feststellen, welche Bilder eingezogen werden müssen. Ich schreib mir alles auf, damit sie morgen abgeholt werden können .....Ihr wißt nicht mehr, was ihr tut, sagte der Maler, und da rutschte meinem Vater der Satz raus: Ich tu nur meine Pflicht, Max. Da sah ich auf die Hände des Malers, kräftige, erfahrene Hände, .... Die Hände meines Vaters dagegen hingen schlaff und bereit an der Hosennaht, zwei gehorsame Wesen möchte ich mal sagen, jedenfalls machten sie sich nicht besonders bemerkbar. Gehen wir, Max? fragte er. Der Maler rührte sich nicht. Nur daß die sehn, ich hab meine Pflicht getan, sagte mein Vater, und der Maler plötzlich: Es wird euch nicht helfen. Es hat noch keinem geholfen. Holt euch, was euch Angst macht. Beschlagnahmt, zerschneidet, verbrennt: was einmal gewonnen ist, wird dableiben. ... Damit du klar siehtst: ich werde weiter malen. Ich werde unsichtbare Bilder machen. Es wird so viel Licht in ihnen sein, daß ihr nichts erkennen werdet. Unsichtbare Bilder" (S. 73).
"6 Das zweite Gesicht ... "Der Maler: Im Kopf jedenfalls kann man keine Haussuchung machen. Was da hängt, hängt sicher. Aus dem Kopf, da könnt ihr nichts konfiszieren" (S. 136).
"8 Das Porträt ... Weil Max Lidwiog Nansen nicht mit dir zufrieden war, dich immer wieder mit erbitterten Pinselhieben verändern mußte, weil er dir manchmal auf überstürtze Art half, dir selbst zu gleichen - morgens ebenso wie am Abend -, kam er nicht dazu, sich auch von draußen, bei einem prüfenden Gang um Haus zu überzeugen, ob die Verdunkelungsrollos dicht waren! Jedenfalls war er mit dir beschäftigt, verbesserte und korrigierte dich, und dabei achtete er nicht darauf, daß eines der Rollos hängengeblieben war wie ein verklemmtes Segel und das Licht hinausließ, das sogenannte Arbeitslicht" (S. 161). ...."Vor allen Schiffen, Agenten und Blenheim-Bimbern gatte der Polizeiposten Rugbül längst das unerlaubte Licht festgestellt, er, der aus beruflichen Gründen dafür zu sorgen hatte, daß es nach Eintritt der Dunkelheit bei uns auch dunkel blieb, war schon unterwegs ... Obwohl der Lichtschein aus dem Atelier über das Land fiel und Schiffen, Agenten und Blenheims eine unerwünschte Orentierung erlaubte, blieb mein Vater auf dem Gartentische stehen und verfolgte den Maler bei der Arbeit. Die Auseinandersetzungen verfolgte er, die zwischen dem Maler und seinem unsichtbaren, aber besserwissenden Balthasar stattfanden. Er bemerkte den Wiuderstand, gegen den der rechte Arm des Malers sich bewegen mußte. .... Ungläubigkeit hielt ihn da wohl fest, die unerträgliche Verblüffung darüber, daß diesre Mann, der aus dem gleichen Ort stammte wie er und deshalb die gleichen Voraussetzungen mitbrachte, nichts anerkannte, kein Verbot und keine Verfügung. Er war doch oft genug gewarnt worden. War seine Geringschätzung größer als seine Sorge? Seine Phantasie mußte doch wohl ausreichen, um sich die Folgen vorzustellen, die seine Achtlosigkeit eines Tages haben würde. Oder war er so selbstgewiß, daß er nicht einmal daran dachte, an die möglichen Folgen? .... Freude schien der Maler nicht zu empfinden, ihm war auch nichts von heimlicher Genugtuungs darüber anzumerken, daß er sich über ein Verbot hinwegsetzte. Was ihn allein bei seiner Arbeit bechäftigte, das waren Balthasar und die Auseinandersetzung mit der Farbe. Es war anscheinend nur eingetreten, was er selbst vorausgesagt hatte: daß man nicht aufhören kann zu malen" (S. 162 ff.).
"11 Unsichtbare Bilder ... Was soll ich nun an den unsichtbaren Bildern beschreiben, von denen Max Ludwig Nansen gesagt hatte, sie enthielten alles, was er mitzuteilen hatte über die Zeit, da sei von allen Dingen bekenntnishaft die Rede, von denen er erfahren habe im Laufe seines Lebens. .... Wie soll man sie wiedergeben und wie ansehen, seine unsichtbaren Bilder? Schon bei sichtbaren genügt nicht guter Wille allein. ..... nun riskier mal einer, herauszufinden, was nicht zu sehen ist" (S. 251).
"14 Sehen ... Weißt du, was Sehen ist? Vermehren. Sehen ist Durchdringen und Vermehren. Oder auch Erfinden. Um dir zu gleichen, mußt du dich erfinden, immer wieder, mit jedem Blick. Was erfunden wird, ist verwirklicht. Nichts ist vermehrt. Wenn du siehst, wirst du gleichzeitig auch selbst gesehen, dein Blick kommt zurück. Sehen, herrjeh: es kann auch Investierenbedeuten, oder Warten auf Veränderung" (S. 321).
Max Frisch, Montauk, Frankfurt 1981, S. 28f.:
"- Politik interessiert mich überhaupt nicht. Verantwortung des Schriftstellers gegenüber der Gesellschaft und das ganze Gerede, die Wahrheit ist, daß ich schreibe, um mich auszudrücken. Ich schreibe für mich. Die Gesellschaft, welche auch immer, ist nicht mein Dienstherr, ich bin nicht ihr Priester oder auch nur Schulmeister. Öffentlichkeit als Partner? Ich finde glaubwürdigere Partner. Also nicht weil ich meine, die Öffentlichkeit belehren oder bekehren zu müssen, sondern weil man, um sich überhaupt zu erkennen, ein imaginäres Publikum braucht, veröffentliche ich. Im Grunde schreibe ich aber für mich selber ..."
Thomas Bernhard, Der Untergeher, Frankfurt 1988, S. 133:
"Ich hatte ja auch niemals zum Unterschied von Wertheimer, der sehr wohl gern Glenn Gould gewesen wäre, Glenn Gould sein wollen, ich wollte immer nur ich selbst sein, Wertheimer aber war immer jenen zugehörig, die ständig und lebenslänglich und bis zur fortwährenden Verzweiflung, ein anderer, wie sie immer glauben mußten, Lebensbegünstigter sein wollen, dach ich. Wertheimer wäre gern Glenn Gould gewesen, wäre gern Horowitz gewesen, wäre wahrscheinlich auch gern Gustav Mahler gewesen oder Alban Berg. Wertheimer war nicht imstande, sich selbst als ein Einmaliges zu sehen, wie es sich jeder leisten kann und muß, will er nicht verzweifeln, gleich was für ein Mensch, er sit ein einmaliger, sage ich selbst mir immer wieder und bin gerettet."
Günther Uecker, in: Peter C.Vogel, Günther Uecker, Man muss die Realität des Marktes kennen, Parnass Kunstmagazin 04/2010, S. 102 ff., 105:
Warum ich allein arbeite? "Es ist doch besser, man macht das dann doch alleine, was da obsessiv zum bildnerischen Handeln und zum Icon, zum Erscheinungsbild wird. Was aus dem tiefsten Inneren erwächst und einen selbst schon erschreckt, was da in einem vorgeht, das sich aber dann im täglichen Prozess des Ablaufs offenbart."
Carlos Ruiz Zafón, Das Spiel des Engels, 2008, S. 277 f. und 279:
"wenn du wirklich schreiben willst oder wenigstens so schreiben willst, dass andere dich lesen, dann wirst du dich daran gewöhnen müssen, dass man dich mitunter nicht zur Kenntnis nimmt. dass man dich beschimpft, dich verachtet imd dass man dir in den meisten Fällen mit Gleichgültigkeit begegnet. Das ist einer der Vorteile dieses Berufes".
"Jedes Kunstwerk ist aggressiv.. Und jedes Künstlerleben ist ein kleiner oder großer Krieg, angefangen bei einem selbst und den eigenen Beschränkungen. Um zu erreichen, was man sich vorgenommen hat, braucht man vor allem Ehrgeiz, dann Talent, Wissen und schließlich eine Chance".
Peter Maffay, in: Deutschland, deine Künstler, ARD am 14. Juli 2010
"Wenn einer mich fotografieren will, sag' ich ihm genau, wo er stehen soll".